In Stralsund befanden sich bis zur Reformation drei Klöster, die beiden Bettelordenskovente der Dominikaner und Franziskaner in den Klöstern St. Katharinen und St. Johannis sowie das Birgittinenkloster Mariakron. Während die Anlagen der beiden erstgenannten Klöster noch mehr oder weniger vollständig erhalten existieren, erinnert an das Kloster Mariakron nur noch die im Bereich seines Standortes befindliche Mariakronstraße in der Tribseer Vorstadt.
Handschrift Hs 975 Deckel
So gut wie vollständig sind die Bibliotheken und Archive der Klöster vernichtet, mit Ausnahme eines Teils der Urkunden von Mariakron. Es bestand aber schon lange die Annahme, dass sich unter den Handschriften der sogenannten Nikolaikirchenbibliothek, die seit 1860 Teil der Ratsbibliothek und damit der heutigen Archivbibliothek ist, auch einige befinden könnten, die aus den Stralsunder Klöstern stammen.
Das kann jetzt definitiv bejaht werden. In einem Kooperationsprojekt mit dem Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig sind seit 2016 56 Handschriften und Handschriftenfragmente wissenschaftlich erschlossen und gleichzeitig digitalisiert worden. Die Onlinestellung der Digitalisate in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern ist gerade im Gange und die ersten Bände können bereits benutzt werden.
Dazu gehört auch der unter der Signatur Hs 975 verzeichnete Band mit dem schönen Titel „Spiegel des Herzens“ aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Foto und Links zum Digitalisat und der Beschreibung in Manuscripta Mediaevalia:
https://www.digitale-bibliothek-mv.de/viewer/image/ArchivHST_HS_975/1/
http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31594041
Es handelt sich dabei um eine Tugendlehre, die wohl für die Bewohnerinnen eines Frauenklosters verfasst wurde. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass es entweder dem Kloster Mariakron oder einem der beiden Stralsunder Beginenkonvente stammt. Beginen waren Frauen, die in einem Konvent ein Leben ähnlich wie Nonnen führten, ohne einem richtigen Klosterorden anzugehören.